Montag, 20. Oktober 2025

Lehrraum 3

Lina war neu im Büro und wollte sich von ihrer besten Seite zeigen. Als der Abteilungsleiter, Herr Krüger, sie zum Mittagessen einlud, fühlte sie sich geehrt. Er hatte extra Suppe gekocht – „nach altem Familienrezept“, wie er stolz sagte.

Schon beim ersten Löffel zog sich Linas Gesicht leicht zusammen. Die Suppe war so salzig, dass man fast darin hätte schwimmen können – im Toten Meer. Doch Herr Krüger löffelte zufrieden weiter, also zwang Lina sich, tapfer mitzuhalten.


„Na, schmeckt’s?“, fragte er strahlend.
„Mhmm… sehr intensiv!“, brachte sie hervor, während ihr innerlich das Wasser fehlte.

Am Abend erzählte sie ihrer Kollegin, was passiert war. Die lachte: „Du hättest einfach ehrlich, aber freundlich sagen können: ‚Etwas kräftig gewürzt – vielleicht war das Salz verliebt?‘ Dann hättet ihr beide gelacht und er hätte’s gemerkt.“

Lina nickte und beschloss, sich das zu merken. Beim nächsten Mal wollte sie lieber mit einem Lächeln ehrlich sein – statt wortwörtlich die Suppe anderer auszulöffeln. Aber sie weiß auch, sollte sie deshalb rausfliegen, hat sie alles richrig gemacht und ist um eine menschliche  Erfahrung reicher.





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